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Familie und Beruf im Mittelstand: Wenn Personalpolitik zur Haltungsfrage wird

Familie und Beruf – zwei Welten, die immer noch zu oft gegeneinander ausgespielt werden. Auf der einen Seite steht die Karriere mit ihren Anforderungen an Flexibilität, Verfügbarkeit und Engagement. Auf der anderen Seite die Familie mit ihrem Bedürfnis nach Präsenz, Verlässlichkeit und gemeinsamer Zeit. Doch was passiert, wenn Unternehmen aufhören, diese beiden Lebensbereiche als Konkurrenz zu betrachten – und stattdessen bewusst zusammenbringen?

In der neuen Folge von engagement@work – der Podcast sprechen Dr. Alexander Hildenbrand und Rüdiger Frey mit Angelika Braun, Expertin für familienorientierte Personalpolitik, über eine Frage, die gerade für den Mittelstand entscheidend ist: Wie wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zum echten Wettbewerbsvorteil?

Mehr als Imagepolitur: Warum Haltung zählt

Familienfreundlichkeit ist längst kein Nischenthema mehr. In Zeiten von Fachkräftemangel und demografischem Wandel entscheidet sie mit darüber, ob Unternehmen überhaupt noch qualifizierte Mitarbeitende gewinnen und halten können. Doch zwischen vollmundigen Versprechen in Stellenanzeigen und der gelebten Realität klafft oft eine Lücke.

„Es geht nicht um Hochglanzbroschüren oder Zertifikate an der Wand“, macht Angelika Braun im Gespräch deutlich. „Es geht um Haltung. Um die Frage: Sehen wir unsere Beschäftigten als ganze Menschen – oder nur als Arbeitskraft?“ Diese Haltung lässt sich nicht durch einzelne Maßnahmen erkaufen. Sie muss von der Unternehmensführung vorgelebt und in der gesamten Organisation verankert werden.

Der Mittelstand hat einen entscheidenden Vorteil

Interessanterweise haben gerade kleine und mittelständische Unternehmen hier einen natürlichen Vorteil gegenüber Großkonzernen. Während in internationalen Konzernen familienfreundliche Maßnahmen oft standardisiert und bürokratisch umgesetzt werden, können KMU flexibel und individuell auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden eingehen.

Die Nähe macht den Unterschied: In einem mittelständischen Betrieb kennt man sich. Man weiß, dass die Kollegin gerade ihre pflegebedürftige Mutter betreut oder der Kollege alleinerziehend ist. Diese Kenntnis ermöglicht passgenaue Lösungen – und schafft gleichzeitig ein Klima des Vertrauens.

„Authentizität schlägt Perfektion“, betont Angelika Braun. „Mittelständler müssen nicht alles können. Aber sie können ehrlich sein und gemeinsam mit den Beschäftigten Lösungen entwickeln, die zur Situation des Unternehmens passen.“

Führung als Lotse: Zwischen Struktur und Vertrauen

Eine zentrale Rolle kommt dabei den Führungskräften zu. Sie sind nicht nur Vorgesetzte, sondern Lotsen in einem komplexen Spannungsfeld. Auf der einen Seite müssen sie sicherstellen, dass die betrieblichen Abläufe funktionieren. Auf der anderen Seite tragen sie Verantwortung für das Wohlergehen ihrer Mitarbeitenden.

Diese Balance erfordert mehr als klassische Management-Kompetenz. Es braucht emotionale Intelligenz, Kommunikationsfähigkeit und den Mut, auch einmal unkonventionelle Wege zu gehen. Eine Führungskraft, die selbst um 17 Uhr den Rechner herunterfährt, um zum Elternabend zu gehen, sendet ein wichtigeres Signal als jede Betriebsvereinbarung.

„Führung bedeutet heute, Räume zu öffnen“, erklärt Dr. Alexander Hildenbrand. „Räume, in denen Beschäftigte ihre unterschiedlichen Lebensrealitäten sichtbar machen können, ohne Nachteile befürchten zu müssen.“

Zeit als neue Währung

Ein Aspekt, der sich durch das gesamte Gespräch zieht, ist die veränderte Bedeutung von Zeit. Während frühere Generationen noch bereit waren, Familie und Freizeit für Karriere und Gehalt zurückzustellen, hat sich diese Priorität grundlegend verschoben.

Zeit ist zur knappsten und wertvollsten Ressource geworden – gerade für Menschen mit Familienverantwortung. Ein höheres Gehalt kann verpasste Geburtstage, fehlende Präsenz oder chronische Überlastung nicht kompensieren. Unternehmen, die das erkennen und entsprechend handeln, verschaffen sich einen enormen Vorteil im Wettbewerb um Talente.

Konkret bedeutet das: Flexible Arbeitszeitmodelle, die nicht nur auf dem Papier existieren. Homeoffice-Regelungen, die wirklich gelebt werden. Und eine Kultur, in der es selbstverständlich ist, dass Meetings nicht um 18 Uhr angesetzt werden oder Dienstreisen mit angemessenem Vorlauf geplant werden.

Verbundenheit als Zukunftsfaktor

Am Ende geht es bei familienorientierter Personalpolitik um mehr als organisatorische Fragen. Es geht um Verbundenheit – zwischen Mitarbeitenden und Unternehmen, zwischen Kolleginnen und Kollegen, zwischen beruflicher und privater Identität.

Diese Verbundenheit entsteht nicht durch Benefits oder Incentives. Sie entsteht durch das Gefühl, als ganzer Mensch gesehen und wertgeschätzt zu werden. Durch die Erfahrung, dass das Unternehmen in schwierigen Lebensphasen nicht im Stich lässt. Durch das Vertrauen, dass Loyalität keine Einbahnstraße ist.

„Wer Familie stärkt, stärkt Zukunftsfähigkeit“, bringt es Rüdiger Frey auf den Punkt. Denn Unternehmen, die ihre Beschäftigten in allen Lebenslagen unterstützen, investieren nicht nur in Arbeitskraft, sondern in langfristige Beziehungen. Sie schaffen eine Kultur, die Menschen bindet und anzieht.

Fazit: Vom Wollen zum Tun

Familienorientierte Personalpolitik ist kein Luxus und kein Selbstzweck. Sie ist eine strategische Notwendigkeit für Unternehmen, die auch in Zukunft erfolgreich sein wollen. Gerade der Mittelstand hat alle Voraussetzungen, hier zum Vorreiter zu werden: Nähe, Flexibilität und die Möglichkeit, schnell und unkompliziert zu handeln.

Der Weg von der Absicht zur Umsetzung erfordert allerdings mehr als guten Willen. Er erfordert eine ehrliche Auseinandersetzung mit der eigenen Unternehmenskultur, mutige Führungskräfte und die Bereitschaft, eingefahrene Muster zu hinterfragen.

Die gute Nachricht: Jeder Schritt in diese Richtung zahlt sich aus – für die Beschäftigten, für das Unternehmen und letztlich für die Gesellschaft als Ganzes.


Zur Podcast-Folge: Diese finden Sie in engagement@work – der Podcast mit Dr. Alexander Hildenbrand und Rüdiger Frey.

🎧 Jetzt reinhören: https://creators.spotify.com/pod/profile/engagement-at-work/episodes/EngagementAtWork-Folge-18-Familienorientierte-Personalpolitik-in-KMU-e393qt2

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